Sonntag, 1. Juli 2012

Sektenstruktur

Die maoistischen Parteisekten sind ferne Geschichte, vom organisierten Kommunismus sind nur noch Überreste geblieben und damit könnte man meinen, das Thema ist abgehakt.
Schön wär s wenn es so wäre. Man muß aber feststellen, das dieses Thema keineswegs durch ist. Sektierertum war nie ein Vorrecht der K - Gruppen. Schon damals war sektiererisches Denken auch in anderen linken Zusammenhängen beheimatet. Selbst die ausgewiesenen K Gruppengegner waren alles andere als frei davon.
Innerhalb der Autonomen schien zunächst die Chance zu bestehen, aus alten Fehlern zu lernen und das schlug sich in den Veröffentlichungen nieder, wo durchaus selbstkritisch über die eigene Politik geschrieben werden konnte.
Dies wurde in hierarchisch strukturierten Vereinen allenfalls in internen Papieren abgehandelt und da noch fast unlesbar verschlüsselt. In den allgemein zugänglichen Veröffentlichungen gab es nur positive Propaganda.
Innerhalb der Autonomen wurde sektiererisches Denken durch die Spaltung in Autonome und Antiimps plus Knastgruppen mit geringer Distanz zur RAF Ideologie deutlich. Dies kam bereits 81 zum Vorschein.
Wer dies miterleben durfte, fühlte sich in die 70iger zurückversetzt. Die gleiche auf Unduldsamkeit und Zweifelsfreiheit basierende Einstellung von Zeitgenossen, bei denen man sich fragen mußte, was würden die anstellen, wenn sie die Macht dazu hätten? Besser nicht ungebremst auf die Menschheit loslassen.
Nun ja, das ist ja mittlerweile etliche Jahre her und mittlerweile sind wir im Onlinezeitalter angekommen. Sogar Indymedia ist älter geworden.
Als Linke nach und nach das Internet entdeckten und sich mit der neuen Technik vertraut machen mußten, waren die jungen Idealisten natürlich im Vorteil. Die wuchsen damit quasi auf, wo die alten Säcke sich erstmal schwer taten. Indymedia kann hier als Feldversuch aufgeführt werden. Gegründet von Newcomern in der Linken, die von vielen alten Geschichten noch unbelastet schienen, hätte es zunächst ein Freiraum, in dem experimentiert werden konnte sein können.
Ein neues Medium, das möglicherweise die Vorstellungen von freier Information und Beteiligung eher einlösen konnte, an der die gedruckte Alternativpresse trotz diverser Versuche gescheitert war.
Freilich kamen schnell solche dazu, die neu in der linken Welt waren und weil sie sich in die bestehenden Strukturen einfügen wollten, an die alten Vorstellungen und Ideologien anpassten.
Dies oft genug mit sektiererischer Strenge und unter Übernahme althergebrachter Themen von fanatischen Feminismus über s BinnenI bis zum Israelhass. Dies schlug sich regelmäßig in den Indytexten nieder.
Dies ist ja auch mittlerweile Zehn Jahre her und die Beteiligten sind älter geworden. Haben sie mittlerweile dazugelernt, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Offenbar sind viele nicht lernfähig.
Schaut man sich an, wie sich die Debatten wiederholen und im Kreis drehen, oder wie Insidervorstellungen zu menschheitsentscheidenden Themen hochgehypt werden, dann fragt man sich gelegentlich ob Altersstarrsinn nur ein Rentnerproblem darstellt.
Wer sich die linke Welt anschaut, wie sie sich online im Netz darstellt, der fühlt sich wahlweise in die 70iger oder 80iger zurückversetzt. Das kennen wir doch schon. Nicht zu fassen, die alten ML Sektentexte, von denen man meinte, die könnte man nur noch in verstaubten Zeitungsarchiven genießen. Oder die Szenensprache längstvergessener Flugblätter, oder auf Graupapier gedruckter Kleinblätter welche die Beteiligten längst beim vorletzten Umzug entsorgt haben, da sind sie taufrisch zu lesen, als wäre man grad aus der Zeitmaschine ausgestiegen.
Die alten Sexismus und Szenesprechdebatten, über die man schon vor Jahren nur noch verständnislos den Kopf schüttelte, hier finden sich wieder Vertreter, die diesen Unsinn ernst nehmen und mit einer Wut vertreten, da könnts dir anders werden. Wer die Wut erleben durfte, mit der solche Überzeugte ihren Wahn verteidigen, wenn sie auf Widerspruch stoßen und im Gegensatz zur Papierwelt stoßen sie im Netz auf Gegenargumente, da fühlen sie sich gleich persönlich angegriffen und werden sauer. Weil sie schnell merken, wie dünn ihre Argumentationsbasis ist. Ihr Weltbild, bestehend aus scheinbar allgemein und ewig in der Linken gültigen Wahrheiten, zusammengefasst in den Berliner Demoparolen von Anti - Pat, Kap, Imp, Rass verträgt keine inhaltliche Überprüfung und wird als Verrat betrachtet. Es kann nur eine Meinung geben und wer sich nicht daran hält, der gehört nicht zu uns.
Zwar hat nicht jeder die Antiimps und Knastgruppen in ihren besten Zeiten erleben dürfen, auch danach gab es immer wieder derartige Vertreter, von denen man sich fragte, wie halten die es überhaupt miteinander aus?
Von der Abweisung und Mißtrauen gegenüber Außenstehenden mal abgesehen. Bereits die Sprache, voll von Counter und Pigs war Insiderdialekt der zeigte, wer überhaupt dazugehören darf. Im Zusammenhang mit dem Hungerstreik von 84/85 konnte man sie live erleben und wer sich im zeitweilig besetzten Teil des ex KBW Hauses begab oder auf einer der Schweigeveranstaltungen zum Hungerstreik, der erlebte eine paranoide Stimmung, die in Worten nur schwer wiederzugeben ist. Das diese Gruppen von 129a bedroht wurden, unbestritten. Doch darauf reagierten sie mit Abschottung und Paranoia.
Auf solchen Versammlungen mußte man keinen Pforz lassen, schon das Aussehen konnte einen zum Spitzel machen. Es war zum Wegrennen und dies taten auch nicht wenige Jugendliche die zunächst aus Neugier dazukamen. War ja auch nicht auszuhalten.
Zwar ist diese Generation älter geworden und bestimmt nicht mehr die Politlandschaft, doch die Haltung und Ideologie ist nicht einfach verschwunden, sondern wurde von einer neuen Generation in s Netz rübergerettet und auf Indy kann man regelmäßig ihre sektiererische Paranoia bewundern und genießen.
Einen Unterschied zwischen Autonome und Antiimps aus dieser Zeit lässt sich hier noch anführen. Die Stellung zur Bevölkerung bzw. Arbeiterklasse. Die Autonomen waren selbst großteils Arbeiterjugendliche (Kleiner Einschub, in Wackersdorf zersägten Autonome mit Metallsägen den Metallzaun. Auf so eine Idee wären die Studies nie gekommen, die hätten nicht mal gewußt, womit man Metall sägen kann), dachten dafür nicht dran, die Arbeiter wie zu ML - Zeiten zu agitieren. Sie hatten die Normalbevölkerung zu oft als feindlich erlebt und dachten nicht dran zu predigen. Sie suchten sich Bereiche, wo sie selbst was bewegen konnten, was im eigenen Bereich liegt statt abstrakter Ziele.
Die Antiimps trieben andere Motive und daraus leiteten sie ihre Ideologie ab, die von der alten Metropolenideologie ausging und auch Bestandteil der RAF Ideologie war. Danach ist die Arbeiterklasse in den Industriestaaten selbst Bestandteil der Ausbeutung der dritten Welt und steht folglich auf der anderen Seite der Front. Eine Ideologie mit fatalen Konsequenzen. Das heißt, man gibt die Leute per Definition auf und jede Politik unterhalb von RAF wäre nur Reformismus und Kinderkram. Das war die RAF Ideologie, wir allein gegen den Staat und auf die Bevölkerung, nicht mal auf Teile davon, können wir nicht zählen.
Folglich suchten sich die Antiimps Ziele stets in die Kategorie Uneinlösbarkeit. Ein paar Pfeifen gegen den militärisch industiellen Komplex. So wie ein Kleinverein seinerzeit gegen den Sozialimperialismus.
Sich Ziele zu suchen, bei denen von vorneherein klar ist, das die Erfolgsaussicht gegen Null geht, ist ein Kennzeichen von Sekten. Man will sicherstellen, das der Dauerfrust durch keinen Lichtstrahl eines noch so kleinen Erfolges getrübt wird. Das haben sie mit religiösen Sekten gemein, die ja auch ihre Ziele so hoch stecken (Die ganze Menschheit bekehren, jeden Menschen erlösen) das sie zu ihren Lebzeiten mit Sicherheit nicht zu realisieren sind.
Zum Kennzeichen kleiner Sekten gehört der Dauerfrust und die permanente Erfolglosigkeit, die man eben wegstecken muß und nur wer das kann, zeigt das er würdig ist, für die Erlösung bzw. dazugehören zu dürfen.
Es reicht sich die diversen Texte dieser Welt reinzupfeifen, zumindest im Ansatz, denn wirklich lesbar ist das Zeug echt nicht, man findet ein geschlossenes Weltbild, das nichts reinlässt, was nicht reinpasst. Das jeden Denkansatz ausgrenzt, der die geschlossene Gedankenfront verlässt.
Was sie nicht bedacht hatten, traf sie um so härter. Der Zahn der Zeit nagte auch an ihnen und die Welt veränderte sich. Bereits der Golfkrieg bei dem man nicht mehr klar entscheiden konnte, auf wessen Seite man sich stellen sollte bis hin zum Mauerfall veränderte die Koordinaten. Weder die Zielgruppe noch die Wunschländer in der dritten Welt kümmerten sich um linke Vorstellungen oder Dogmen und es fehlte nicht an Gelegenheiten, seine Weltsicht anhand der Realität zu überdenken. Nicht alle konnten ihr bisheriges Leben in Frage stellen und so wurden sie zu Übriggebliebene die vergessen hatten das Licht auszumachen.
Besichtigen lässt sich das heute im Netz, wenn wieder mal Altlinke an die RAF Zeiten auf Indymedia erinnern und betrübt feststellen müssen, das die großen Namen nicht als die großen Vorbilder und Heilige betrachtet werden. Das viele gar nicht dran denken, sich vor ihren Heldentaten und Opfern die sie für die Bewegung gebracht hatten, zu verneigen. Da lassen doch grad die jüngeren User ihren Respekt vor den Ikonen der Bewegung vermissen, das muß bitter sein und eine Warnung für Naive, die sich immer noch einbilden, ihr Einsatz und ihre Opfer würden von einer späteren Generation mal gewürdigt werden.
Soll heißen, man darf sich durchaus für etwas einsetzen, es ist nicht verkehrt wenn man von etwas überzeugt ist, dazu auch zu stehen und dafür was zu tun, von dem man vorher nicht geglaubt hat, das zu können. Eine Erfahrung die viele gemacht haben. Was man dabei beachten sollte, bring dich nicht um dafür, es lohnt nicht. Zudem ist es etwas eindimensional, sein Leben einer einzigen Sache zu verschreiben. Menschen die behaupten für etwas zu leben, sollte man mit Mißtrauen begegnen, das sind meist auch diejenigen, die schnell bereit sind, dafür zu sterben. Oder noch schlimmer, andere dafür draufgehen zu lassen.
Der Mensch lebt bekanntlich um zu lernen, auch aus den eigenen Fehlern.
Die antiimperialistischen Ideologien und das alte Koordinatensystem vom Hauptfeind USA/Israel und Palis/Kämpfende Völker, als wäre nichts passiert. Man meint, Islamfundamentalismus, Mauerfall hätten in einer Parallelwelt stattgefunden. Gerade am Thema Nah Ost lässt sich dieser Irrsinn festmachen. Israel dient als Projektionsfläche des linken antiimperialistischen Hasses. Die Palis sind die Projektionsfläche der Hoffnungen unter Ignoranz der Hamas im Gaza, oder ob die Irren in Somalia den Radiosendern das Musiksenden verbieten, das scheint keine Zeile wert zu sein. Dafür wird jeder Pforz aus Israel gierig aufgenommen. Aktuell wäre die Ignoranz der arabischen Revolution anzuführen, welche das linke Koordinatensystem völlig zu überfordern scheint. Im antiimperialistischen Weltbild besteht die arabische Welt aus Israel/Palästina und die bösen Amis. Etwa so, wie 89 die Linke etwas überforderte. Das Ende des Kommunismus und der Mauer plus DDR war im linken Weltbild nicht vorgesehen.
Nicht zu vergessen die Bildparanoia, die mit sektiererischer Wut eingefordert wird, als wären Digicams und Handycams noch nicht längst Alltagsgut. Besichtigt man die von keiner veränderten Realität belasteten Argumente, dann kann man selbst bei diesem Einzelthema, ein geschlossenes Weltbild erkennen.
All das konzentriert sich bei Indymedia wie in einen Brennglas.
Doch nicht nur da, ein Besuch vieler Webseiten spricht Bände. Da werden nach wie vor Regeln aufgestellt, Verhaltensweisen verkündet an die man sich gefälligst zu halten hat, selbstverständlich frei von jeden Nachweis, woher man die Legitimation nimmt. Wer diesen Pfeifen, die nichts weiter vertreten als ihre unmaßgebliche Meinung, das Recht gibt, Menschen die sie gar nicht kennen, die sie weder gewählt noch beauftragt haben, vorschreiben zu wollen, was sie zu tun und zu lassen haben. Dies lässt sich an den Sprachverunstaltungen festmachen. Es reicht die Begründungen dafür zu lesen, hier wird eine geschlossene Argumentation ausgebreitet, die auf Zweifelsfreiheit und Abwehr jedes Gegenarguments aufbaut. Hier maßen sich einige an, über die Sprache verfügen zu dürfen und ihren Wahn allen aufzwingen zu dürfen.
Feminismus ist hier das heißeste Eisen. Geht es um die mit missionarischen Eifer verkündeten Gendertheorien, da ist jeder Einspruch bereits Hochverrat. Wer feministische Glaubenssätze verkündet, ist zu vielem fähig, nur nicht zu einer offenen Diskussion. Kann man stets aufs neue erleben. Hier glauben wieder, oder immer noch, sich für links haltende Webseitenmisshandler, allen ihre Weltsicht aufzwingen zu müssen. Es kann nur eine Ansicht geben, natürlich unsere. Wer als User noch die trübe Offlinezeit miterlebt hat und die damalige Politlandschaft, der fühlt sich da gradewegs in seine eigene Vergangenheit zurückversetzt. Irgendwie hat man das doch schon alles erlebt.
Schaut man sich die früheren Vereinsblättchen bzw. deren elektronische Nachfolger an, da bist gut bedient. Nur nicht zu ernst nehmen.
Anführen lässt sich auch die Antrassismusdebatte aus den 90zigern. Als die Asylanten die Arbeiterklasse der 70iger ablösten und für viele Linke den Stellenwert bekamen, wie seinerzeit die angebetete Arbeiterklasse zu Proletenkultzeiten. Die Rassismusdebatte ignoriert konsequent andere Wertvorstellungen und kulturelle Hintergründe. Ob Islamismus oder antiemanzipatorisches Frauenbild, es darf nicht mal thematisiert werden, es wird sofort unter Rassismusverdacht gestellt. Filtern der Außenwelt in willkommene Informationen, die das eigene Weltbild bestätigen und unwillkommene Fakten, welche das Weltbild in Frage stellen oder die Zweifelsfreiheit gefährden, sind ein typisches Kennzeichen sektiererischen Denkens das sich aus den 70igern in die Jetztzeit rübergerettet hat.
Dies war ein kleiner Rundumschlag 2011.