Mittwoch, 26. September 2012

Ereignishorizont

Die BRD Linke hat es bisher nicht geschafft, die Macht 
und den Briemarkendruck zu übernehmen. Damit blieb 
einer der historischen Fixpunkte, der Sturm auf den 
Winterpalast den Briefmarkendesignern der DDR und 
dem Ostblock  vorbehalten. Dafür ist die Graphik wie
man weiß kein Bilddokument, sondern nur ein Standbild 
aus einen später gedrehten Film Oktober von 
Sergej Eisenstein. Originalfilmmaterial gibt es offenbar 
nicht und tatsächlich geing es den Stürmenden 
seinerzeit weniger um die Macht, eher ganz konkret 
um den Weinkeller. Aber auch Revolutionen brauchen 
ihren ikonographischen Urknall und wenn nicht 
vorhanden, dann helfen wir eben nach.
Wir werden in unseren Leben mit unterschiedlichen Vorgängen konfrontiert. Zumeist nehmen wir sie medial wahr, nur an wenigen Vorgängen sind wir selbst beteiligt. Hier soll es um genau diese Geschichten gehen, an denen wir selbst beteiligt waren und die prägend wirken. Doch wann ist dies der Fall? Es ist eine Altersfrage. Wenn man jung ist, erstmalig auf einer Demo, oder erstmalig irgendwo beteiligt ist, dann wird dies prägend. Hier entschied sich oft der weitere politische Lebensweg. An diese Ereignisse erinnert man sich, die hier gelaufenen Auseinandersetzungen setzen sich im Verstand fest. man kann sie noch nach Jahrzehnten wiedergeben.
Hinterher gibt es natürlich weitere Auseinandersetzungen, die Politik geht weiter und man kann sich auch daran beteiligen, doch derart prägend werden die nachfolgenden Geschichten nicht mehr.
Es entstehen neue Bewegungen und es sind neue Leute daran beteiligt, die vor allem erstmal jung sind. Was für den Altgedienten eine bekannte Geschichte ist, wird für Jüngere zunächst mal zu einen wichtigen Teil ihres Lebens. Was auch sonst?
Damit dies nicht zu abstrakt wird, will ich dies an einen konkreten Fall verdeutlichen. Nehmen wir die M 31 Demo in Frankfurt vom März 2012, die etwas ausartete. Eine größere Anzahl von Aktivisten sorgte mit Glasbruch, Signalrauch, Steine, Sprühdose und fliegenden Absperrgittern für mediengerechte Bilder und zudem für Polizeiattacken und Einkesslung. Zumeist nach dem Prinzip, Hit and Run. Auch wer sich nicht daran beteiligte meinte hinterher bei einer Straßenschlacht dabeigewesen zu sein und die Medien bestätigten diese Ansicht. Mein eigener Bericht darüber wurde weniger freudig aufgenommen, offensichtlich hatte ich dem Kampfeinsatz nicht angemessen zu würdigen gewußt.
Das stimmt sogar, ich war nicht der Ansicht, gerade Zeuge einer Straßenschlacht gewesen zu sein. Warum? Genau hier haben wir einen unterschiedlichen Erfahrungshorizont. Wer an Geschichten beteiligt war, die etwas anders abliefen, der beurteilt diese Demo eben etwas anders, als jemand der das nur aus dem Fernseher kennt und zum ersten mal einen Autonomen sieht, der ein Absperrgitter Richtung Polizei wirft. Liefert medienwirksame Bilder, selbst wenn dabei gar nicht viel passiert. Sieht auch beeindruckend aus, wenn man zum erstem Mal sowas live zu sehen bekommt. Solche Leute soll es ja auch geben, für die Putzdemos nicht unbedingt Alltag sind oder die eben nicht mehr bei der Startbahn dabei waren.
Man nennt dies auch betriebsblind. Wer jeden Tag Stahl kocht, dem erscheint alles im Werk alltäglich, der Besucher der dies noch nie live gesehen hat, ist erstmal schwer beeindruckt. So ist das auch mit Demos, wer frühere Auseinandersetzungen erlebt hat, der bleibt erstmal gelassen, man kennt das ja bereits, selbst wenn man nicht völlig cool bleibt, denn ein Rest an Unsicherheit bleibt. Man weiß nicht was in der nächsten Minute passieren wird. Wer das noch nicht kennt, auf den wirkt das anders und an die Demo wird derjenige sich noch lange erinnern.
Da kann man auch hinterher sauer werden, wenn man meint gerade an einer harten Sache beteiligt gewesen zu sein und zu hören bekommt, halb so wild das alles, ist doch gar nichts passiert. Es handelt sich eben um unterschiedliche Erfahrungen. Da kann es schon mal vorkommen, der eine ist geschockt von unerwarteter Gewalt, der nächste meint an einer wichtigen Schlacht auf dem Weg zur Revo teilgenommen zu haben, so könnte man mal zwei Extrempunkte darstellen, der Veteran steht daneben und fragt sich, wie oft hast sowas schon gesehen? Weißt es selbst nicht mehr.
Es ist auch eine Generationenfrage, freilich ist damit nie die gesamte Generation gemeint, denn nie sind alle an einer Geschichte beteiligt.
Man spricht heute so locker von der 68er Generation. Was dabei übersehen wird, es war ja nur eine Minderheit aktiv dabei, die 68er Generation ist eine Fiktion. Es gab sie nie. Genau so wenig wie die Woodstock Generation, die erst hinterher  von den Medien erfunden wurde.  Klar ist es Unfug, eine Generation mit gesellschaftlichen Vorgängen zu identifizieren, doch es hilft eine Geschichte festzumachen und irgendwie einzuordnen, deswegen macht man es so und der Medienmainstream wird es sich trotz aller Bedenken nicht verbieten lassen.
Vor allem dann, wenn es um historische Vorgänge geht, die alle betrafen. Daher redet man von einer Kriegsgeneration, weil sich kaum jemand dem entziehen konnte und es zu viele betraf.
Von einer 68er Generation zu reden ist in den Medien üblich geworden, dabei war es nur eine Minderheit der damaligen Jugendlichen oder Jüngeren, zudem sind einige Generationen nachgewachsen, die garantiert nicht mehr dazu zählen.
Genau, einiges was da lief war prägend für die Beteiligten. Wer beim Tegler Weg dabei war (nein, war ich nicht, ist nur ein zufällig ausgewählter Fall *sfg*), für den war es sicher ein Fixpunkt im Leben, sowas vergisst man nicht. Freilich sind viele nachgekommen, die damit wenig anfangen können, denen selbst der Name nichts mehr bedeutet. Frag den durchschnittlichen Netzuser nach Tegler Weg.
(Stop, Finger weg von der Suchmaschine und Pfoten weg von Wiki, sonst gibts auf selbige)
Das Ergebnis dürfte kaum überraschen. Was? Wo? Nie gehört. Worum ging es überhaupt? Nun wer dabei war, geht heute ohnehin auf die Rente zu oder ist es bereits.
Dies war nur ein willkürlich ausgewählter Fall, man kann viele weitere anführen. Jeder der sich in der Linken irgendwo mal eingemischt hat, kann Namen nennen, die für ihn selbst einige Erinnerungen auslösen, dem Rest freilich völlig unbekannt sind. Diese Fixpunkte sind sowohl zeitlich als auch räumlich bezogen, versteht sich. Der Tegler Weg ist in Berlin und andere waren eben andernorts aktiv. Der Dreisamhof steht für etwas, das viele Freiburger kaum vergessen werden, die seinerzeit dabei waren. Viele waren woanders und da fanden andere Geschichten statt. Aus Frankfurt lässt sich der Kettenhofweg anführen. Ein Name mit dem kaum jemand noch was anfangen kann. Eine ganze Sammlung solcher Namen und Daten ließe sich anführen, viel davon sind nicht mal online erfasst, weil zu unbedeutend und selbst die damals Beteiligten halten ihre Klappe.
Was man dabei oft übersieht, ist der Zeitraum. Wer bei den Demos gegen den Golfkrieg dabei war, der erinnert sich heute noch. Vor allem, wenn es die ersten Politerfahrungen waren. Nur das war 91. Ist das echt schon über zwanzig Jahre her? Auf Indymedia etwa trifft man auf User, die da noch nicht mal auf der Welt waren. Was soll denen das also bedeuten? Was soll denen der Tegler Weg bedeuten, das ist 44 Jahre her. Wem soll man mit den FVV Demos kommen? Die liegen 38 Jahre zurück.
Es sind eben unterschiedliche Erfahrungen die zu unterschiedlichen Ansichten und Beurteilungen führen und wenn man sich das bewußt macht, dann versteht man, warum in Diskussionen so oft aneinander vorbei geschrieben wird. Warum sich die Leute nicht verstehen können.
Weil gerade im Netz die unterschiedlichen Generationen ungefiltert aufeinander treffen und die Jungen raffen nicht, was das soll, während die alten Säcke von den naiven Unfug genervt sind, den sie da oft zu lesen bekommen.
Was bleibt zu tun? Sich erstmal darüber klar zu werden, warum man in unterschiedlichen Welten lebt. Warum sich Erfahrungen eben nicht 1:1 weitergeben lassen. Das Bücher eben nicht die eigene Erfahrung ersetzen können und jeder aus eigenen Fehlern lernen muß.
Freilich sind diese Überlegungen auch dazu gut, um sich zu erinnern, das es viele Menschen gibt, welche mit den typisch linken Erfahrungen nie was zu tun hatten, es könnte sogar die Mehrheit sein. Denen die ganzen linken Debatten und Eigenarten nichts bedeuten, die es noch nicht mal nachvollziehen können.
Genauso, wie die in den 70ern sozialisierten (sagt man so im Soziologendeutsch) lernen mußten, das ihre Storys vom Revisionismus, Sozialimperialismus, Kleinbürgertum und derartigen Zeug, mit dem sie sich ganze Nächte um die Ohren schlugen, von der heutigen Generation kaum noch verstanden werden, geschweige das es ihnen was bedeuten würde.
Versuch jemanden, der den 9.11. am Fernseher als Kind miterlebt hat, heute zu erklären, warum sich Trotzkisten und Anarchisten ca. 50 Jahre nach Kronstadt eben deswegen eins auf die Mütze gaben. Ja, sowas gabs und ist sicher schwer nachzuvollziehen. Sogar von den Beteiligten heute.
Doch möglicherweise hilft es, wenn man sich vergegenwärtigt, das es den Islamisten unter anderem auch um die Kreuzzüge geht und das ist an die Tausend Jahre her. Nebenher bemerkt, bisher ist in den Medien noch keine "nine eleven generation" aufgetaucht, na das kommt noch, wer weiß?
Im Gegenzug, versuch heutigen Jungaktivisten, die gerade die Netzwelt mit einen frischgeschriebenen Aufruf beglückt haben, den man in gedruckter Form bereits vor 20 Jahren gelesen hat und der schon seinerzeit nur noch genervt hat, dies klarzumachen. Was? Das sie unter Wiederholungszwang leiden? Das auch deswegen die Linke nicht vorankommt, weil sie sich weigert aus ihren Fehlern zu lernen? Weil sie sich weigert überhaupt Fehler einzugestehen? Weil nur andere alles falsch machen, denen muß man ja den richtigen Weg weisen, dafür sind wir schließlich da. Über eigene Irrtümer reden wir besser nicht, abgehakt und auf zum nächsten Thema. Schließlich macht Politik keine Pause und es gibt immer was zu tun.
Mittlerweile haben auch Großereignisse innerhalb des linken Mikrokosmos ihre Jahrestage und werden gelegentlich mit einen rückschauenden Text abgefeiert, der freilich zumeist unter einen bedauerlichen Mangel an Kritik und Realismus leidet. Meist überwiegt der Optimismus und Stolz auf die vollbrachten Leistungen (freilich fragt man sich dann doch, worin die bestanden und ob da nicht zuviel Geschiß drum gemacht wird). Nicht das es verkehrt wäre, auch daran zu erinnern. Doch ohne kritische Aufarbeitung kommt das dann eher als Heldenepos rüber. Man meint entweder, man hätte was verpasst oder vermutet, nicht zu unrecht, man bekommt ein idealisiertes Bild vorgesetzt.
Wer epische Sagen und Heldenlegenden lesen will, ist mit den diversen Götter und Heldensagen und ihrer Adaption in Film, Comic und PC Spiel bestens bedient. Im politischen Alltag und der Geschichtsschreibung der Neuzeit hat dies nichts verloren. Da haben wir es mit Menschen und all ihren Fehlern und Macken zu tun.

Montag, 17. September 2012

Texte zum Thema

Glaubenslehre

Das System des Kommunismus ist nun zwar etwas in die Jahre gekommen, doch ausgehend von Marx Engels, ist das Gespenst noch vergleichsweise jung, zumindest verglichen mit theologischen Glaubensrichtungen die weitaus mehr Jahre zu bieten haben. Doch nicht mal 150 Jahre genügten um ein geistiges Fundament zu schaffen, das mit jeder Religion mithalten kann. Betrachtet man das Kapital als das Basiswerk, dann bauen sich darauf weitere Schriften auf, wie Lenin, Stalin und Mao deren Autorität unterschiedlich zu werten ist und eine Vielzahl von Glaubensrichtungen als Basiswerke dienen, nicht zu vergessen der gute Trotzki, dessen Schriften eine eigene Glaubenslehre begründet haben.
Seit dem Kapital entstanden etliche Schriften die wie in der Religion als Erneuerung, Abweichung, Verrat, Spaltung, Modernisierung oder gleich als Teufelswerk verstanden wurden. Na das ist doch eine reife Leistung, da braucht sich kein Kommunist hinter der Kirche zu verstecken.
Was Kirchenspaltung angeht, das hat der Kommunismus ebenfalls hervorragend hinbekommen. Die Abspaltung der Kommiwelt in den Teil der russischen und der chinesischen Lehre hatte durchaus die Qualität der Kirchenspaltung in Ost und Westrom.
Man könnte den Anarchismus als erste Abspaltung betrachten, die tatsächlich bedeutsame Spaltung fand 1918 statt, als in Folge des Krieges, die Sozialdemokratie auseinanderbrach. Seither gibt es Sozis und Kommis, die sich auch wieder spalteten und neue Richtungen produzierten, die mit jeder Glaubenslehre problemlos mithalten können, na wenigstens darauf könnte man doch stolz sein. Könnte, keine Glaubensgemeinschaft ist auf Abweichler und Spalter stolz, man möchte die Hammelherde schließlich zusammenhalten.
Wer sich die Mühe macht das alles zu lesen, der hat eben so viel Arbeit wie jemand der die Geschichte einer Religion über die Jahrhunderte hinweg erforscht. All die Schriften und Auseinandersetzungen um Glaubensfragen und um Fragen die außerhalb der eigenen Welt kaum etwas bedeuten. Das haben wir ebenso im Kommunismus. Waren ja etliche Denker dran beteiligt, oder soll man meinen, die Arbeiterklasse hätte sich soviel Gedanken gemacht? Wozu auch? Man wollt mehr Geld und was zu saufen und war happy. Sollen sich die Nerds doch die Finger wundschreiben. Und das taten sie auch und hinterließen einiges an Papier das hinterher von der Partei mit entsprechenden Verboten belegt werden mußte. Je nachdem, einiges galt als harmlos, anderes dagegen als Sprengstoff, möglichst sicher wegschließen.
Ist in jeder Glaubensgemeinschaft so, die Glaubenswächter bestimmen, was die Novizen zu lesen bekommen und was das gemeine Volk angeht, die wollen wir erst gar nicht mit Gedanken beunruhigen, die sicher zu hoch für gläubige Gemüter sind, die schließlich glauben und die Klappe halten sollen. Bei den Kommis, hauptsach sie haben die Parolen auswendig gelernt, der Rest ist ohnehin zu hoch für den Proleten.
Eigentlich ist dieses Spezialistenwissen etwas angestaubt und nachdem sich die 68er darauf gestürzt hatten und die Geschichte 1:1 kopierten, ist das alles etwas in Vergessenheit geraten. Nur wenigen bedeuten die Auseinandersetzungen der 20iger Jahre noch so viel wie den Parteiaufbauern der 70iger, denen der Streit in der KPD zwischen Versöhnlern, Linkssektierern und Rechten realer war, als ihre Gegenwart. Nach dem Verschwinden der K Gruppenwelt verschwand auch das Interesse an diesen Geschichten.
Bis es auf einmal wieder im Internet auftaucht und auf diversen Seiten und Foren geht es in aller Frische wieder um Geschichten und Namen, die kein normaler Mensch noch kennt. Da braucht man schon etwas Basiswissen, um überhaupt zu verstehen, was das alles soll, worum es da geht. Lässt sich nicht vermeiden, wenn einige Nachzügler glauben, mal wieder die Schlachten der Vergangenheit neu ausfechten zu müssen.
Der Nachteil, wer sich nur mit der Vergangenheit befasst, bleibt da auch stehen und ist kaum fähig Ideen für die Gegenwart zu entwickeln. Wer eine neue Runde im Kampf Trotzki gegen Stalin einläutet, sollte sich nach dem Sinn fragen.  Nach seiner Ansicht hätte sich besser Trotzki im Machtkampf durchgesetzt? Hat er zwar nicht, dafür hat sich diese Frage in der heutigen GUS und was noch von der SU übrig geblieben ist, dahingehend erledigt, das in Osteuropa in den nächsten fünfzig Jahren weder Trotzki noch Stalin zur Debatte stehen dürften.
Glaubenswerke kümmern sich eben nicht darum, ob die Zeit nicht etwas über sie hinweg gegangen ist. Daher leben Gläubige geistig auch in der Vergangenheit. Zumindest in der Vergangenheit ihrer heiligen Schriften, die eben die Zeit reflektieren, in der sie entstanden sind.
Zu klären wäre hier, warum es überhaupt Gläubige und Glaubenslehren in einer geistigen Welt gibt, die sich ja genau entgegengesetzt zum Glauben und zur Religion positionierte, die sich Aufklärung und Vernunft auf die Fahnen schrieb und vor allem der Wissenschaft folgte bzw, sich schließlich selbst zur wissenschaftlichen Lehre erklärte. Nun auch in der Welt der Wissenschaft geht es oft um Glaube und wenn man Glaube mit Vertrauen übersetzt, man muß eben das glauben, was man nicht versteht. Dies ist in der Welt des Sozialismus vergleichbar. Wer die intellektuelle Basis nicht versteht, dem bleiben zwei Wege. Gläubig den Parolen der Partei zu folgen und der Partei zu vertrauen, egal was sie gerade wieder für einen Unfug beschlossen hat, oder den alternativen Weg zu gehen und die Theorie abzuklopfen, ob sie nicht etwas zu abgehoben ist und die Verständnisprobleme nicht auch daher kommen, das politisch handelnde Menschen das was sie tun sollen, auch begreifen müssen. Diese Richtung nannte man mal Theoriefeindschaft, allerdings war es nicht einfach die Ablehnung von Theorien, sondern die Ablehnung von abgehobenen Systemtheorien, in denen die Menschen nicht mehr existieren.
Bzw. auch die Parteitheorien, in denen die Menschen herausgekürzt wurden, in denen Menschen nur noch als Abstraktionen erscheinen, die eine historische Mission zu erfüllen haben, in denen Menschen auf funktionierende Zahnräder reduziert sind und als Einzelpersonen die Interesse an ihren Leben haben nicht mehr existent sind. Nicht verwunderlich, wenn auf der Basis solcher Theorien die Menschen bei Bedarf als Volksfeinde, Klassenfeinde oder Revisionisten erscheinen, deren Vernichtung sich dann so darstellt, als würde man ein verstaubtes Zimmer mal richtig ausfegen. Wenn Menschen nur noch als Dreck wahrgenommen werden, dann macht man sich auch keine Gedanken, wenn wieder mal soundsoviele verschwinden, deportiert werden oder sonstwie geopfert werden. Der Gläubige ist bereit daran zu glauben, das alles für den Fortschritt und der Revolution notwendig ist und die Partei muß ja wissen was sie tut.
Dazu genügt es sich die Geschichte der KPD anzusehen. Man kommt zu der Ansicht, diese Partei wußte all die Jahre selber nicht, was sie eigentlich tat und daher übernahm am Ende auch freundlicherweise Stalin die Entscheidung. Etwa die SPD als Sozialfaschisten zu bekämpfen und wenn es nützlich schien, auch mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Wohin das 33 führte ist bekannt.
Das war echt eine harte Zeit für die Gläubigen und wer mit Glaube und Anpassung die Zeit überstand, der durfte sich doch noch als Sieger fühlen. Zwar mit etwas Nachhilfe der Alliierten und der roten Armee, dafür in Ostdeutschland und Osteuropa die Macht. Dummerweise war das in keinen Theoriewerk so vorgesehen. Nun linke Theorien sind keine Zukunftsvoraussagen oder wenn, dann von so lausiger Qualität, man sollte ihren Vorhersagen besser nicht sein Leben anvertrauen.
Was den Kommunismus angeht, so hat es sich für viele ausgeglaubt. Kann sein, dafür zeigt sich, das der neue Glaube an Demokratie und Markt, der alle Bedürfnisse der Menschen wie von unsichtbarer Hand gesteuert regelt und zufriedenstellt, auch nur Ideologie ist. Zu dem Zweck erfunden, damit sich eine Minderheit den Bauch vollschlagen kann. Wir sind mit der Geschichte also noch nicht durch und ein gescheiterter Versuch heißt nicht, das Menschen aufhören werden, an alternativen Möglichkeiten zu glauben. Mit neuer Technik und neuen Spielzeugen, die sie selbst produziert haben, lassen sich die Menschen erstmal ruhigstellen, da sind sie zunächst beschäftigt. Die Spielzeuge können aber auch zweckentfremdet werden und unbeabsichtigte Wirkungen erzeugen.
Wozu diese Anmerkung? Wer die Geschichte des Kommunismus kritisch betrachtet muß seine Absichten offenlegen, um sich von denen abzugrenzen denen es um die endgültige Zementierung des Kapitalismus geht. Daher sollte die Absicht herausgestellt werden, es kann nicht darum gehen, nur weil ein Versuch gescheitert ist, zu glauben, es wird keine weiteren Versuche geben oder man müsse sie mit allen Mitteln verhindern.
Der nächste Versuch kann schneller eintreten als man glaubt und niemand kann vorhersagen, wie er enden wird.
Was die rechten Kritiker der katastrophalen Geschichte des Kommunismus erreichen wollen, es gibt keine Alternative zum globalen Märkteterror und Sozialabbau. Zwar es fehlt ihnen an überzeugenden Argumenten, wenn der Kapitalismus selbst die besten Argumente liefert, das es  für den Versuch des Kommunismus handfeste Gründe gab und nach wie vor gibt.
Es geht aber noch schlimmer. Wie verhindert man Widerstand gegen die Zumutungen der selbsternannten Sieger der Geschichte?  Mit einer Neuauflage einer versteinerten Theorie und der Neuauflage einer gescheiterten Ideologie plus der autoritär strukturierten Partei. Wer nach wie vor Zeit und Energie verfeuert um solche Vereine neu aufleben zu lassen, verhindert Widerstandsformen die den heutigen Bedingungen entsprechen und für die es zwar weder Vorlagen noch Erfolgsgarantien geben kann. Traditionelle Formen der Parteipolitik können hier nur im Sektierertum enden, dafür können sie jeden alternativen Versuch als kleinbürgerlich denunzieren, das wird ihnen auch nicht weiterhelfen.

Freitag, 7. September 2012

Wir waren wie Maschinen

Gibt es noch K-Gruppen? Hier 
die MLPD aktuell in Ffm.
Es gibt ein neues Buch über das rote Jahrzehnt. Titel - Wir waren wie Maschinen. Rotbuch
Dazu liegen einige Kritiken vor, aus denen sich sicher noch kein abschließendes Urteil ergibt, dafür einige Ansatzpunkte. Der Originaltext steht mir hier noch nicht zur Verfügung.
Die Kritik die Markus Mohr in der Junge Welt veröffentlicht, fällt schon mal vernichtend aus. Muß noch nicht das endgültige Urteil sein, dafür werden doch einige Punkte angesprochen, da könnte man schon zustimmen.
"Seine Beschreibung des früheren KPD/AO-Chefs und späteren taz-Redakteuers Christian Semler als einen »zeitlebens in Großstädten« wohnenden »dicke Brillengläser« tragenden Menschen ist sehr unangenehm geraten; sein Vorwurf an Anneliese Baader, daß sie als »alleinerziehende Mutter« ihren Sohn Andreas liebte und »schranken- und bedingungslos« habe aufwachsen lassen, ist nur noch schäbig."
Ja genau, hätte der Semler etwas naturverbundener gelebt, dann wäre aus ihm eher ein grüner Wurzelsepp als ein Maoist geworden und Brillenträgern kann man eh nicht trauen.
Ach so, Baader konnte schrankenlos aufwachsen? Na klar, die antiautoritäre Erziehung macht aus Kindern Monster und Terroristen, das wußten die anständigen Bürger schon 1970, kommst also etwas spät mit.
Wenn so die Auseinandersetzung mit den K-Gruppen aussieht, dann fragt man sich schon, ob das Leben nicht zu kurz ist, um schlechte Bücher zu lesen.
Da fühlt sich der Rezensent verpflichtet, doch noch eine Lanze für die K-Gruppen zu brechen.

"Deren Hauptvergehen bestand in der massenhaft unternommenen Anstrengung, in der Bundesrepublik das Herr-Knecht-Verhältnis auf die Füße zu stellen."
Eben, das wird ihnen noch heute angekreidet. So falsch und daneben die Ausführung und Ideologie gewesen sein mag, die Absicht war immer noch die Verhältnisse der Gesellschaft zu ändern, in der es nach wie vor bereits ein Verbrechen zu sein scheint, es überhaupt anzusprechen, das Macht und Eigentumsverteilung weder die beste aller möglichen Welten darstellen, noch ewig fortbestehen müssen, nur weil die Alternative gescheitert ist.
Der Autor selbst hat dazu eigentlich keinen Grund, aber K Gruppenbashing ist heute eine eher leichte Übung weil die härteste Kritik an den MLern seit Jahren von den ehemals Beteiligten selbst kommt. Unter anderem vom Brillenträger Semler. ;-))
Übrigends, der Autor Jahrgang 73 hat keine persönlichen Erfahrungen mit den ML Sekten. Damit also keine persönlichen Motive für eine Abrechnung. Das ist ja fein, trotzdem, so viel negatives Material über die K-Gruppen auch vorliegt, es gibt Kritikformen die nur noch denunziatorisch sind und übertreiben muß man es nicht.
Was aus den 68ern geworden ist. Na was denn? Dazu lesen wir im Vorwärts, den es sogar heute noch gibt. Freilich nur noch als Blog. Was n Jammer, nicht mal für ne Webseit reichts noch? Na gut, ist hier nicht Thema.

"Aus den Gesprächen kristallisiert sich das Schicksal einer Generation, deren Väter ihre Niederlage im Zweiten Weltkrieg nicht verkraftet haben oder gar nicht zurück nach Hause kamen. Viele sehnten sich nach Vätern, die ihnen den Weg zeigen. Folgt man Hincks These ist das der Grund, warum sie sich an die Alphapersonen der eigenen Generation lehnten und ihnen als Leitfiguren erhebliche Macht gaben."
Marx, Lenin, Stalin bis Mao als Vaterersatz? Im KBW selig hätte es seinerzeit geheißen, lass das Psychologisieren, das ist bürgerlich und reaktionär.  Das waren aber auch die Leitbilder bei den Linken in Belgien, Holland, oder Skandinavien und die hatten zumeist keine Probleme mit Naziväter, kamen viele doch aus Familien, die im Widerstand waren. Irgendwie überzeugt diese Erklärung nicht restlos. Ok, man könnte anfügen viele Väter kamen auch aus den Reihen der Kollaboration, doch in diesen Ländern war das nie Thema. In Holland etwa mußten Linke keinen Widerstand nachholen, den es nicht gegeben hatte, soweit die Theorie zum Terror in der BRD und Italien.
"Hinck beschreibt in seinem Buch die Geschichte derer, die nach der Auflösung des SDS Mitglied in einer maoistischen Partei wurden, sich ihren ZK Sekretären Christian Semler (KPD-AO) oder Joscha Schmierer (KBW) oder Jürgen Trittin (KB) unterordneten und miterlebten, wie die eigenen Genossen in stalinistischer Manier gemaßregelt wurden. Einige der ehemaligen Maoisten schämen sich noch heute dafür, damals einfach zugesehen haben, wie ihre einstigen Freunde ausgeschlossen wurden."
Tia, die ML Sekten waren eben ein stalinistischer Themenpark und mit bitterem Ernst wurde hier Geschichte nachgespielt. Heute kann man sagen, sie wurde nur nachgespielt, den Beteiligten war es seinerzeit bierernst. Ja sicher, dafür kann man sich schämen, man kann es aber auch anders sehen. Für viele war der Ausschluß doch das Beste was ihnen passieren konnte. So kamen sie aus dieser Sekte raus, sonst hätten sie noch Jahre gebraucht um den Ausstieg zu finden.
"Zu den Pilgern, die sich jubelnd in die Abgründe sozialistischen Terrors aufmachten, gehörten ZK-Mitglieder der KPD (AO) Christian Semler und Jürgen Horlemann genauso wie Joscha Schmierer, so Hinck. Sie tafelten nicht nur mit den Diktatoren, sondern trugen auch das Geld ihrer Mitglieder dorthin. 200 000 DM an Spenden waren keine Seltenheit."
Die Reisen in ferne Länder, darauf waren die Parteiführer besonders stolz. Endlich eine Anerkennung, die der Sekte in der trüben BRD selbst unter den Linken versagt war. Ja, es ging auch um s Geld. 200 000 DM Spendengelder. Hier haben wir eine Zahl vorliegen und die muß man mal ins richtige Verhältnis rücken. Gelder, die mit viel guten Willen und Idealismus zusammenkamen. Wenn es freilich um Waffenhandel und den Geldfluß zu den Befreiungsbewegungen ging, dann sind 200 000 DM eher Peanuts. Bekommst heut keinen Leo für. Es waren eher Aktionen guten Willens und symbolische Aktionen der Sorte, Kleinvieh macht auch Mist. Nicht der Rede wert, verglichen, mit dem was allein die BRD an Beträgen für diverse reaktionäre Diktatoren rausrückte, Hauptsache sie standen auf der richtigen Seite und kauften damit zweckmäßigerweise noch Waffen deutscher Firmen und sicherten Arbeitsplätze.
"Manchmal hat man beim Lesen das Gefühl, dass Hinck sich zu stark von seiner These der Vaterlosen auf der Suche nach Leitfiguren leiten lässt. Es wäre schön, wenn er auch von seiner These abweichende Biografien geprüft hätte. Es fehlen diejenigen, deren Eltern während des Nationalsozialismus als Juden verfolgt wurden, ebenso jene die im Widerstand aktiv waren. Es wäre doch wichtig gewesen zu wissen, ob sie die Fackel des politischen Anstands und der Moral weiter getragen haben."
Genau, das wäre vermutlich zuviel verlangt. Zumal es ein heikles Thema ist, oder Ironie der Geschichte? Da demonstrieren Hand in Hand Linke, der Vater des einen war Nazi, der Vater des anderen war in der illegalen KPD? So etwa könnte es ausgesehen haben. Es waren auch Juden dabei, die hier ihre politische Heimat sahen, dafür irgendwie mit dem Widerspruch umgehen mußten, das die Politik dieser Gruppen Israelfeindlich war und in Israel eine Imperialistischen Aggressor sahen. Gerade Juden brachte dieser Widerspruch irgendwann dazu, zwar nach wie vor auf linker Seite zu stehen, dafür aber vor diversen Gruppen Sicherheitsabstand zu halten. Das war ein schwieriges Thema, es dauerte noch einige Zeit, bis linker Antisemitismus überhaupt thematisiert werden konnte. dazu mußten Linke erst ihre blinden Illusionen gegenüber den Befreiungsbewegungen aufgeben.
Im Deutslandradio Kultur ist ebenfalls zu lesen:
"Gunnar Hinck geht von über 200.000 Menschen aus, die in den 70er-Jahren in den Sog marxistisch-leninistischer, stalinistischer, trotzkistischer, spontaneistischer oder maoistischer Gruppierungen gerieten. Für die Verheißung einer großen Revolution waren sie bereit, ihr Leben zu opfern - dem KBW, dem KB, der KPD, KPD/AO, und wie sie alle hießen. Wenn man bedenkt, dass dies das Resultat der linken, aber auch freiheitlich-emanzipatorischen APO-Bewegung der 60er-Jahre war, drängt sich die Frage auf: Wie war das möglich?"
Diese Zahl spukt durch die Medien. Könnt ja stimmen, doch dem Beteiligten kommt sie  doch etwas hoch vor. 77 demonstrierten 20 000 in Bonn gegen das Verbot der K Gruppen und das war die größte Demo die alle drei ML Sekten jemals zusammenbrachten. In den Städten waren es zumeist nur einige Hundert. Man hatte nicht den Eindruck, man hätte die großen Massen zusammen. Von den vielzitierten 200 000 hab ich selbst nie was gesehen.
Und ihr Leben opfern? Man sollt es meinen, doch die MLer waren eben nicht die RAF. Keiner opferte sein Leben, im Gegensatz zur RAF, das ist eine Tatsache, die in diesem Zusammenhang gesagt werden sollte. Sie waren sicher bereit, ihr Leben für die Revolution zu opfern, die aber noch auf sich warten ließ und zuerst müssen noch die Arbeiter dazu bereit sein. Soll heißen, das ist so eine Verheißung, die auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben ist, wie das jüngste Gericht. Im Moment muß sich niemand für die Revo umbringen und es tat auch niemand, schließlich wurdest ja noch zum Plakatekleben gebraucht. *sfg*

"Es ist allerdings befremdlich, wie sehr er sich als Nachgeborener, der angeblich keine Rechnung mit den Linken offen hat, immer wieder zu persönlichen Abrechnungen hinreißen lässt. Seine Lieblingsfeinde sind Christian Semler und Joscha Schmierer - als ob die beiden eine Alleinschuld am "roten Jahrzehnt" trügen."
Futterneid, nicht weiter ernst nehmen. Und die Karrieren der ehemaligen Mitglieder kann man sich auf Wiki anschauen. Was ne Frechheit, die schaffen es mit dieser Vergangenheit zu so einer Karriere? Fischer wird sogar Außenminister trotz Steinewerfen? Ungerechte Welt. Hätt ich mir nicht leisten können, ich habs nur zum Buchautor geschafft, weil ich erfolgreich verschweigen konnte, das ich nach einer halben Flasche von der Putzfrau aufgelesen und ins Zimmer geschafft wurde. Das war das Härteste in meiner Biographie, was ich an Widerstand gegen die Ordnung gebracht habe. Hätte auch gerne so abenteuerliches Zeug erlebt, aber dann wär ja meine Zukunft am Arsch gewesen. Deswegen schreibe ich eben ein Buch und halte den 68er Pack ihre Dummheiten vor. Ok, war das jetzt gemein? Möglicherweise ja, zumal mir das Originalbuch gar nicht vorliegt.
Im Tagesspiegel lesen wir:
Aus den Gesprächen kristallisiert sich das Schicksal einer Generation, deren Väter ihre Niederlage im Zweiten Weltkrieg nicht verkraftet haben oder gar nicht zurück nach Hause kamen. Viele sehnten sich nach Vätern, die ihnen den Weg zeigen. Folgt man Hincks These ist das der Grund, warum sie sich an die Alphapersonen der eigenen Generation lehnten und ihnen als Leitfiguren erhebliche Macht gaben."
Die These von der vaterlosen Generation wieder.  Das erinnert nicht zufällig an die "Vaterlandslosen Gesellen" als die seinerzeit Sozialdemokraten bezeichnet wurden. Na ob das nur Zufall ist?
"So fundamental brutal war ihr Kampf, dass die RAF, obwohl nur eine Kleinstgruppe im linken Spektrum, mit Morden, Entführungen und Banküberfällen einem ganzen Jahrzehnt ihren Stempel aufdrückte. Roter Stern und Maschinenpistole – sie haben als Zeichen der Zeit Einzug ins kollektive Gedächtnis gehalten. Zu Recht, möchte man sagen."
Da irrt der Schreiber, nicht diese Kleinstgruppe drückte dem Jahrzehnt den Stempel auf, es war die mediale Vervielfachung, die fetten Schlagzeilen und ein Presseecho, das den Rest der Linken zumeist ignorierte. Die K-Gruppen erfreuten sich keineswegs einer solchen Medienpräsenz wie die RAF von der jeder Pforz in Headlinegröße gedruckt wurde. Sollte mal gesagt werden, schon um die Verhältnisse zurecht zu rücken.
"Warum bekämpften Hunderttausende junger Menschen das in ihren Augen autoritäre Regime der Bundesrepublik? Wer waren die Aktivisten? Woher kamen sie, was trieb sie an? Warum übte der Sozialismus eine derartige Faszination aus? Und: Wie konnte es dazu kommen, dass Teile einer Generation zu blinden Sektierern wurden..."
Die Frage darf gestellt werden und warum der Sozialismus derart faszinierend war? Weil er wie ein fernes Leuchtfeuer war, das umso erstrebenswerter war, je weniger man darüber wußte. Soll heißen, kaum einer der Beteiligten kannte den Sozialismus aus eigener Anschauung. Es waren nur Vorstellungen auf Papier.
Finden wir in diesem Buch Antworten? 
"Doch der Politikwissenschaftler macht auf einen interessanten Umstand aufmerksam, der die linke Militanz zu einem Anachronismus macht: Die Radikalität hat vor allem zu Beginn der 70er Jahre zugenommen – als das Land sich zu wandeln begann."
Wenn die Militanz einer Minderheit damit gemeint sein sollte, die Massenmilitanz der APO war in den 70ern bereits Geschichte und nun bestimmten Agitation und Dogma das Feld.
"Dennoch hielten Marxisten, Trotzkisten und Maoisten ihrer jeweiligen Ideologie die Treue. Und das, obwohl diese Welterklärungshilfen kaum in der Lage waren, die Vorzüge und Missstände einer westeuropäischen Wirtschaftsnation zu erfassen. Mehr noch: Man huldigte mörderischen Figuren wie Stalin, Mao Tse-tung oder Pol Pot, erklärte und verklärte sie als Überväter. Warum? Das bleibt rätselhaft. „Ausgerechnet diejenigen, die als Antiautoritäre die Gesellschaft verändern wollten, suchten sich kommunistische Führer als Vorbilder, für die das Attribut autoritär eine höfliche Untertreibung wäre“
Das ist zwar richtig und bis heute beschämend. Erklärungen gibt es, doch die finden sich nicht in den gewandelten Land aus dem SPD/FDP den Christdemokratischen Mief vertrieben hätten, sicher, es hat sich einiges zum Besseren geändert, sollte man nicht verschweigen. Die erstarrten Machtverhältnisse und der fehlende Wille der Mehrheit daran was zu ändern, konnten manche in Verzweiflung treiben und da suchte man eben nach realer Gegenmacht, selbst wenn es die Gegenmacht des zu Parteiterror erstarrten Dogmas war. Das ging, weil man es nicht wirklich kannte und nicht selbst unter diesen Bedingungen leben mußte. Man glaubte eben, ohne die Staaten des Realsozialismus hat man keine Basis um hier was zu bewirken. Bis viele begriffen, das sie hier keine Basis sondern eher eine Fußfessel am Bein hatten.
"Anderes mutet ebenfalls befremdlich an, auch wenn es zum Repertoire gängiger Erklärungsversuche gehört. So fehlt in den Biografien vieler linker Anführer dieser Zeit der obligatorische „Nazivater“. Die unmittelbare moralische Empörung, begründet durch familiäre Verstrickungen, ist nur selten auszumachen."
Offenbar kommt der Autor hier in Erklärungsnot wenn einige Vorurteile sich nicht so bestätigen. Nicht alle kamen aus Nazifamilien, viele konnten in ihrer linken Karriere sogar die Fortsetzung einer Familientradition sehen. Das sie dabei in einen Dogmatikerverein gerieten (ok, das war mehr als bescheuert, aber was willst machen, das Leben ist voller Widersprüche)? Als ob deren Vergangenheit seinerzeit frei von Brüchen und Irrtümern gewesen wäre, doch es gab etwas Verbindendes, das war der Kampf gegen die Kontinuität reaktionärer Herrschaftssicherung. So konnte man es in den 70ern durchaus sehen, denn das alte Pack war ja noch munter im Amt, wenn auch mit demokratisch eingeschränkter Handlungsfreiheit.
".....dass der Marsch ins oftmals gefährlich Irreale weniger konkrete, rational nachvollziehbare politische Gründe hatte, sondern vielmehr persönlich-biografische Erfahrungen den Ausschlag gaben........ Man sei auf der Suche nach Anleitung, nach Orientierung gewesen – und habe sie in den Schein-Gewissheiten radikal linker Ideologien schließlich gefunden."
Na wenn das alles ist was dem guten Mensch einfällt. Man hatte es also mit einen Haufen Gestörter zu tun, man muß sie nicht ernstnehmen. Dies ignoriert, das der 68er Aufbruch europaweit und darüber hinaus (USA) war und die dogmatische Strömung keineswegs auf die BRD beschränkt war. Aus den Zerfall bildeten sich in Frankreich, England oder Italien, ebenfalls dogmatische Kleingruppen, die Nazizeit oder die fehlenden Bindungen treffen hier sicher nicht zu. Hier geht es um billiges Abwatschen. Es geht nicht darum , die Beteiligten zu Spinnern zu erklären (ok, selbst wenn sie es  vielfach sogar waren und es heute ja selbst zugeben), es geht darum, die Ideen für die sie einstanden, zu Spinnereien zu erklären. Keineswegs nur die Idee, aus deren Umsetzung mörderische Systeme folgten, sondern bereits die Absicht das herrschende Gesellschaftssystem zu hinterfragen. Na da ist der Autor echt auf der Höhe der Zeit. ;-))) Damit hätte er vor zehn Jahren kommen können, aber kaum in einer Zeit in der das kapitalistische Wahnsystem von sehr vielen Menschen angezweifelt wird, die mit kommunistischen Ideologien nie was zu tun hatten. Weil der Irrsinn heute immer offensichtlicher wird und Abhilfe nötig wäre. Die muß freilich nicht so aussehen, das man gleich die Mauer wieder aufbaut.
"Die Linken von damals sind häufig die Bürgerlichen von heute, haben gute Jobs und eine schöne Wohnung in Berlin-Grunewald oder Pankow. Wer wollte es ihnen zum Vorwurf machen? Hinck tut das, macht sich ein wenig über die Fischers und Trittins lustig."
Es soll auch Linke geben, die es nicht zur bürgerlichen Karriere geschafft haben, doch von denen sieht man nichts und denen scheint Hinck nicht begegnet zu sein. Doch das nur nebenher, es geht nicht darum. Linken hats gefälligst dreckig zu gehen, nur dann sind sie glaubwürdig. Ja, einige haben erstaunliche Karrieren gemacht und einige übriggebliebene Dogmatiker sehen in diesen den Nachweis ihrer Theorien vom Kleinbürger der zum Verrat der proletarischen Revolution neigt, dem man nicht trauen kann und das die mörderischen Exzesse doch ihre Rechtfertigung hatten. Doch keine Sorge, es sind wirklich nur eine handvoll Spinner die solchen Unfug vertreten und ohne Internet wüßte niemand, das es sie überhaupt gibt.
Beim zuspätgekommenen Zeitgenossen wie der Autor vermute ich eine andere Motivation. Schlicht und ergreifend Neid. Neid auf Leute, die als Parteiführer, Rote- Fahne Autoren usw. ihrer bürgerlichen Herkunft die Gefolgschaft aufkündigten und dann doch Chefredakteur einer bürgerlichen Zeitung oder sogar Ministerpräsident wurden. Mit so einer Vergangenheit??? Das ist nicht gerecht!!! Heute muß man ja schon um seine Karriere oder sogar Einstellung fürchten, wenn man auf Facebook mit einen Joint auf der Party zwischen zwei leichtbekleideten Mädels erwischt wird. Stimmt, das ist nicht gerecht, aber hat jemand behauptet, das es in unserer demokratischen gewandelten BRD gerecht zugehen würde? Ich nicht. *sfg*