Donnerstag, 27. Juni 2013

Perestroika

KPM Ausgabe
Die Perestroika war fraglos eine der einschneidesten Veränderungen im Ostblock und dazu erschien in der UDSSR 1988 eine Gedenkmarke, noch voll im Style des sozialistischen Briefmarkenrealismus. Graphisch wird die sozialistische Arbeit vorgestellt, an die offiziell noch geglaubt wurde. Was mit Glasnost und Perestroika begann, wurde alsbald zur gravierenden Veränderung die weder Warschauer Pakt noch Sozialismus unbeschadet überstanden. Danach war die Welt nicht mehr die gleiche wie vorher. Die KPM wurde seinerzeit wie alle anderen Parteien, voll kalt erwischt. Das war so nicht vorgesehen und dazu mußte irgendwie Stellung genommen werden. Zu der Zeit waren weder KP noch Shego in der KP. Daher lässt sich nur aus alten Parteiunterlagen und Veröffentlichungen die Konfussion dieser Zeit rekonstruieren. Die damals beteiligten Altgenossen haben dazu nicht allzuviel zu sagen, zumeist herrscht großes Schweigen. Etliche scheinen noch heute traumatisiert. Soviel lässt sich aber feststellen. Damals drohte eine Spaltung, einige wollten den Verein reformieren nach der Vorlage des großen Bruders. Andere sahen darin Revisionismus und Verrat und verschanzten sich hinter den Dogmen, die sie mit Klauen und Zähnen verteidigten. Wenn schon die SU den Bach runtergeht, dann brauchen wenigstens wir erst recht eine ideologisch reine Kommunistenpartei, soweit die Fraktion der Betonköpp. Moderate Mitglieder setzten auf Veränderung und Öffnung, der einzige Weg, die Partei vor dem Absturz in Sektierertum und Bedeutungslosigkeit zu retten. Sie verwiesen, nicht zu Unrecht, auf die westdeutsche Bruderpartei, die zwar eine Spaltung vermeiden konnte, dafür verließen die moderaten Genossen den reformunwilligen Verein und zurück blieben nur die Sektierer und Dogmatiker.
Wenigstens blieb der Name, im Gegenbsatz zu etlichen Parteien, die den Namen wechselten, sah die KPM dazu keinen Anlass. Die Dogmatiker verschanzten sich hinter der These, das kommt davon, wenn man Revisionismus und kleinbürgerliches Denken nicht entschlossen bekämpft. Einige wagten das vorher Undenkbare auszusprechen. Diese ganze Veranstaltung konnte ja nur scheitern, weil die theoretischen Vorgaben nicht von normalen Menschen mit normalen Bedürfnissen und all ihren Fehlern und Macken, auszuführen waren. Heraus kam ein Zwangssystem das mit einer befreiten Gesellschaft nur noch wenig zu tun hatte und Zwangssysteme brechen eben irgendwann zusammen. Früher wären solche Utopisten und Anarchisten achtkantig aus der Partei geflogen, diesmal gingen sie freiwillig.
Einige ihrer Ketzergedanken scheinen heute bei Bonnies AA eine neue Heimat gefunden zu haben, die beteilgten Genossen selbst, sind mittlerweile zu alt für Bonnies AA und ihre Kindergartenautonomen und liefern allenfalls den ideologischen Background.
Eine Folge der Ereignisse von 1988/89 scheint der gestiegene Alkoholverbrauch der Genossen zu sein. In den Zeitungsveröffentlichungen findet sich zwar kein entsprechender Hinweis, in internen Unterlagen dagegen schon eher. Von dezenten Verweisen und Ermahnungen an einzelne Genossen und Genossinnen ist in Sitzungsprotokollen zu lesen. In diesen Protokollen scheinen ab und an sogar Satzbau und Rechtschreibung gelitten zu haben. Da finden sich Einträge der Art, Genosse P, reiß dich zusammen. Oder, die letzten Ausführungen der Genossin W waren akustisch nicht mehr verständlich. Frage des Genossen N; weshalb soll Wodka proletarisch sein, Jägermeister dagegen kleinbürgerlich? Hat jemand darauf eine Antwort? Hinweis des Gruppenleiters zur allgemeínen Kenntnisnahme; Genossen, das Klo vollzukotzen ist konterrevolutionär und kleinbürgerlich.
Der Einwurf von Genosse F; bei Stalin hätte es sowas nicht gegeben und er verlange, das diese tollwütigen Hunde sofort erschossen werden, löste peinliches Schweigen aus. Zu heftigen Widerspruch führte die Aussage des Ortsvorsitzenden G; Lenin würde sich im Grabe umdrehen. Wenn er eines hätte, er hat aber kein Grab und wenn er sich umdrehen würde, dann gäbe es vor dem Glaskasten genug Zeugen. Der Klage der Genossin F; das wirft die kommunistische Bewegung in die Zeit Trotzkis zurück, folgte die Frage, vor dem Eispickel oder unmittelbar danach?
Das war der Anlass, Sichel gegen Eispickel auszutauschen. Das schien für etliche Genossen der Rettungsanker. Die Trotzkisten waren es gewesen. Hätte man die Trotzkisten konsequent vernichtet, wäre das alles nicht passiert. Kaum jemand nahm solche Verschwörungsgeschichten ernst, aber es half den Frust irgendwohin abzuleiten.
Nach einiger Zeit beruhigte sich die Lage wieder, der politische Alltag zwang die Partei (bzw. was davon noch übrig war) sich den neuen Verhältnissen anzupassen und die Ideologie nicht ganz so eng zu sehen. Etwas flexibel mußte man sich schon geben. Vor allem, als die Partei das Internet entdeckte und sich am Seitenbau abmühte und schnell feststellte, mit den alten Gewohnheiten von Parteiinternen Infos und gefilterten und abgesegneten Infos fürs Parteivolk plus der ganzen konspirativen Scheiße, kommt man in dieser Welt nicht mehr weit. Besonders mit der Altdogmatik, mit der man einfach nicht mehr ernstgenommen wird, kein Wunder, in einer Welt in der jeder widersprechen kann und in der man nicht so einfach wie in der Druckwelt zensieren kann.
Wenn jeder grad so veröffentlichen kann und der kleine Blog eines Exgenossen mit Insiderwissen nur einen Klick von der Parteizeitung entfernt ist, dann könnnen Einzelgenossen oft mehr bewirken als die Partei selbst.
Das war die Zeit, in der Shego und einige Jahre danach KP und Ron in die Partei kamen. Rechtzeitig für einen Generationenwechsel und die KPM ins 21. Jahrhundert zu führen.
Mit dieser Trotzkistenstory hat Shego eigentlich nichts zu tun und so dumm um daran zu glauben, kann sie gar nicht sein. Ist sie auch nicht, es ist nur ihre Neigung zu maßloser Gewalt und notorischen Ausrastern, der hier einen willkommenne Vorwand gefunden hat und besonders KP und Ron bekommen regelmäßig den Segen ab.
Das wirft die Frage auf, wie ist Shego eigentlich in die KPM geraten? Ganz so naheliegend scheint das ja nicht zu sein. Nun die Geschichte der KPM muß erst noch geschrieben werden. Da liegt vieles noch im Verborgenen.
Eine Spätfolge zeigt sich bis heute in der KPM. Das was die erste Vorsitzende als proletarische Trinkfestigkeit bezeichnet und anlässlich der Umbrüche vor 25 Jahren hat die Partei nun eine Gedenkmarke herausgebracht. Historisch nicht ganz authentisch, KP war 1988 weder in der Partei noch auf der Welt. Dafür zeigt der Entwurf KP in alltäglicher Erscheinung bei der Parteileitung und so dürfte es auch 90 in der Zentrale zugegangen sein. In einer weiteren Ausgabe darf freilich die erste Vorsitzende nicht fehlen und wenn schon, dann selbstverständlich mit Spitzhacke.

KPM Ausgabe

Originalvorlage